Garten

Die Kunst hat das Vermögen, dem Nachdenken über das Verhältnis von Mensch und Natur neue Blickwinkel und Impulse zu geben. Lois Weinberger war ein Visionär und früher Kritiker des menschlichen Einflusses auf die Umwelt und gilt als Vordenker eines ökologischen Denkens. Ruderalpflanzen („Unkraut“), die alle Bereiche unseres Lebens betreffen, sind Ausgangs- und Orientierungspunkt für Notizen, Zeichnungen, Fotos, Objekte, Texte, Filme und Arbeiten im öffentlichen Raum. Mit seiner konsequenten Pflanzenkunst verfolgt Weinberger die Aufwertung des Wildwuchses und Unkrautes, die in seinem Werk zu Metaphern für alles Unerwünschte und Dissidente werden. In vielen Projekten unternimmt der Künstler subversive Pflanzentransfers in angeeigneten Gebieten der Stadt wie auch im Landschaftsraum, er untersucht die Wanderschaft von Pflanzensamen und zeigt auf, wie prächtig eine nichtheimische Botanik neben einheimischer Vegetation gedeihen kann. Eine politische Metapher für den Umgang mit dem Fremden, interpretierbar als Anspielung auf die europäische Einwanderungspolitik. Für Weinberger ist das Verhältnis des Menschen zur Natur stets ein Spiegel unserer Gesellschaft. „Die Natur ist überhaupt nur über unsere Kultur sichtbar“, so der Künstler. „Ich würde es sogar so weit treiben und sagen, dass die Kultur die Natur erst ermöglicht und erschafft.“(1)

„Brachen / Peripherien / Lücken im Urbanen […]“, beginnt Weinberger seinen handgeschriebenen, bedeutungsschwer aufgeladenen Text auf dem weißen Holztisch der Arbeit Garten. Ein Plastikbehälter ist mit ausgetrockneter Erde befüllt, verdorrte Blätter und Gräser liegen ebenso darauf wie eine weggeworfene leere PET-Flasche. „[…] belassene Orte von denen man weder vom Beginnen noch vom Enden noch vom Stilltand sprechen kann – Gebiete der Möglichkeiten – RUDERAL SOCIETY“.
Günther Oberhollenzer

(1) Lois Weinberger, zit. nach: Anne Katrin Feßler, „Künstler Lois Weinberger: Eine Begegnung mit dem forschenden Feldarbeiter“, in: Der Standard, 25. November 2018, www.derstandard.de/story/2000092082231/lois-weinbergereine-begegnung-mit-dem-forschenden-feldarbeiter (zuletzt aufgerufen am 27. März 2022).